„Das Geld ist für den Menschen da, nicht der Mensch ein Sklave des Geldes“

Bischöfliche Botschaft zum 1. August 2012

Am Bankomaten beziehe ich mein erspartes Geld und ich vertraue darauf, dass es bei Bedarf verfügbar ist. In Franken und Rappen zahle ich meine Rechnungen, alltägliche Einkäufe oder mein Zugbillet. Geld dient in unserer Gesellschaft dazu, Güter für die täglichen Grundbedürfnisse zu kaufen. Zusätzlich kann mit Geld Bildung, Kultur und ein gewisser Wohlstand finanziert werden. Geld erfüllt in unserem Alltag also eine sehr wesentliche Funktion.

Die Nachrichten der letzten Monate und Jahre machen mir dagegen grosse Sorgen: Kann es sein, dass unser Geldsystem bald nicht mehr so selbstverständlich funktioniert? Ich höre von Finanzkrise, Währungskrise, Welt-Wirtschaftskrise. Internationale Experten schliessen nicht einmal mehr aus, dass unser gesamtes Geldsystem zusammenbrechen könnte. Wir alle sind mit einer internationalen Finanzwelt konfrontiert, die scheinbar kein Mensch, keine Bank und keine Regierung mehr unter Kontrolle hat. Im Gegenteil: Die internationalen Finanzmärkte scheinen uns fest im Griff zu haben.

Was ist geschehen? Was, wenn die Krise auf meine Region übergreift? Sind unsere Sozialwerke oder meine Pension in Gefahr? Ich gebe zu: Mein Vertrauen in unser Finanz- und Wirtschaftssystem ist angekratzt. Diese Sorgen machen sich sehr viele Menschen, in ganz Europa, weltweit. Das Vertrauen in Politik, Banken und andere Finanzinstitute schwindet.

Vertrauen ist im Umgang mit Finanzen grundlegend. Finanzsystem und Wirtschaft funktionieren ohne Vertrauen nicht. Vertrauen ist Basis für jeden zwischenmenschlichen Zusammenhalt.

Gerade als Mann der Kirche weiss ich: Vertrauen ist schnell zerstört, aber nur mühsam wieder aufgebaut. Vertrauen muss auf ein gutes Fundament gestellt werden. Wenn ich einem Menschen Geld anvertraue, erwarte ich, dass er verantwortungsbewusst damit umgeht. Welcher Umgang mit Geld ist aus christlicher Sicht verantwortungsvoll und richtig?

Geld ermöglicht wirtschaftliches Handeln. Nur wenn Geld zur Verfügung gestellt wird, können Güter gekauft oder produziert werden. Aus christlicher Sicht ist es grundlegend, für welches wirtschaftliches Handeln Kapital investiert wird. Fördert ein Unternehmen faire Produktionsbedingungen? Achtet es auf einen schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen? Achtet es die Menschenrechte, die Würde der Mitarbeitenden? Fragen, die wir uns als Kirche auch stellen müssen. Alle, die Geld investieren, tragen in diesem Sinn Verantwortung.

Geld ist nicht dazu da, sich selber zu vermehren. Geld ist nicht Selbstzweck. Wenn sich die Welt der Finanzen verselbständigt, werden Finanzen Sinn-los.  Wer investiert und gewinnt, aber dabei das Unglück anderer Menschen in Kauf nimmt, handelt verantwortungslos. Ich habe mich kürzlich mit Experten für Finanzfragen unterhalten. Sie bestätigten meinen Eindruck als wirtschaftlicher Laie: Die internationalen Finanzmärkte führen weitgehend ein Eigenleben, das von den Bedürfnissen der realen Wirtschaft abgekoppelt und für uns unkontrollierbar ist.

Wir müssen dringend Mittel und Wege finden, das entstandene Ungleichgewicht wieder ins Lot zu bringen.Es ist nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre unverantwortlich, alles so zu lassen, wie es heute ist. Deshalb danke ich allen Politikerinnen und Politikern sowie jenen Verantwortlichen in der Finanzwelt, die sich für die nötigen Veränderungen einsetzen.

Zu einem verantwortungsvollen Umgang gehört, dass mit dem Geld nicht zu riskante Geschäfte gemacht werden. Internationale Finanzinstitute haben schon vor längerer Zeit begonnen, Risiken zu Bündeln zusammenzufassen und weiterzuverkaufen. Das Risiko besteht aber weiter und  irgend jemand bezahlt irgendwann einen hohen Preis dafür. Erinnern wir uns an die Immobilienkrise in den USA, die sich rasant zu einer weltweiten Bankenkrise ausgeweitet hatte. Hier passierte genau das: Risiken wurden gebündelt, verschleiert, versteckt und weiter verkauft. Bis die Blase platzte.

Dass Menschen auf viele Arten Geld verdienen möchten, ist verständlich. Denn Geld ermöglicht Wohlstand – dieser Wohlstand hat aber Grenzen, kann nie ins Unendliche gesteigert werden. Der Versuchung, über seine Verhältnisse zu leben, sollte man nicht erliegen. Wer dies tut, kommt in eine unheilvolle Schuldenspirale. Das erleben wir heute eindrücklich, bei Privaten wie auch bei ganzen Staaten. Irgendwann müssen die Zinsen der Kredite bezahlt werden. Der Einzelne trägt Verantwortung für den Umgang mit dem Geld. Verantwortung trägt auch, wer Geld zur Verfügung stellt. Deshalb tut eine Bank ihrem Kunden keinen Gefallen, wenn sie ihm Kredite gewährt, die er bei steigenden Zinsen nicht zurück zahlen kann. Genug haben können ist eine Kunst, die wir in den reichen Industrienationen neu einüben müssen. Wer diese Kunst beherrscht, wird andere Reichtümer entdecken.

Viele Menschen müssen sich nie überlegen, wie sie mit ihrem Geld umgehen sollen, denn sie haben keines und können von Wohlstand höchstens träumen. Christlicher Umgang mit Geld bedeutet, sich für eine gerechte Verteilung der Güter einzusetzen. Gefordert sind politischer Einsatz, caritatives Engagement für Menschen in unserer Umgebung, Entwicklungszusammenarbeit. Wir dürfen nicht beim Einsatz für bedürftige Menschen, für Menschen ohne Zukunftsperspektive, für Arbeitslose, für Menschen am unteren Rand der Gesellschaft  den Sparhebel ansetzen. Zumal gleichzeitig die Saläre der Bestverdienenden weiter überdurchschnittlich steigen und die Zahl der Millionäre ausgerechnet in der Krise zunimmt.

Der heilige Basilius, er war im vierten Jahrhundert Bischof der damaligen Wirtschaftsmetropole Caesarea,  rief in der orientalischen Ausdrucksweise seiner Zeit den Reichen zu: „Das Brot, dessen du nicht bedarfst, ist das Brot der Hungernden; das Kleid, das in deinem Schrank hängt, ist das Kleid dessen, der nackt ist; das Geld, das du verschlossen aufbewahrst, ist das Geld der Armen; die Liebestaten, die du nicht verrichtest, sind ebensoviel Ungerechtigkeiten, die du begehst“.

Diese Sätze des Bischofs Basilius sind noch immer aktuell. Auch heute gilt, vielleicht mehr als je zuvor: Das Geld ist für den Menschen da, nicht der Mensch ein Sklave des Geldes. Der 1. August ist vielleicht ein guter Tag, sich auf diese Grundhaltung dem Geld gegenüber zu besinnen. Und so ein tragfähiges Fundament für neues Vertrauen zu legen.

Wir vertrauen in unserem Land nicht nur auf das Werk der Menschen, wir dürfen auch in tiefem Gottvertrauen in die Zukunft blicken. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen einen frohen, hoffnungsvollen 1. August.

Freiburg/St. Gallen, im Juli 2012

Bischof Markus Büchel, im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz

Bischöfliche Botschaft zum 1. August 2012