Tag der Kranken 2023 - Botschaft der Schweizer Bischöfe

Liebe Kranke, liebe Familien, liebe Mitglieder des Pflegepersonals

 

Der diesjährige Tag der Kranken am 5. März 2023 steht unter dem Motto «gemeinsam unterwegs». Für uns in der katholischen Kirche fügt sich dieses Thema ein in den weltweiten synodalen Prozess, zu dem Papst Franziskus alle Gläubigen einlädt. Er schreibt, «dass wir gerade durch die Erfahrung von Gebrechlichkeit und Krankheit lernen können, gemeinsam nach dem Stil Gottes zu wandeln, der Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit ist».

 

Die Statistik sagt uns, dass 2,3 Millionen Menschen aller Altersstufen in der Schweiz von einer chronischen Krankheit betroffen sind. Sie sind im Alltag auf Unterstützung angewiesen – sei es von Fachpersonen, Familienangehörigen, Freunden oder Freiwilligen. Dieses Miteinander ist das Beziehungsnetz, das kranken Menschen ihr Schicksal zu tragen hilft und sie vor Einsamkeit und Verzweiflung bewahrt. Am Krankensonntag danken wir allen für ihren wichtigen Dienst und bitten um Kraft für ihre Arbeit während des ganzen Jahres.

 

Das Motto «gemeinsam unterwegs» lässt mich an die Erzählung von den zwei Männern denken, die unterwegs sind von Jerusalem nach Emmaus. In ihr zeigt sich, wie Jesus Seelsorge verstanden und praktiziert hat.
Da sind zwei Menschen auf dem Weg nach Emmaus, laufen vor ihrer Enttäuschung davon. Sie hatten ihre ganze Hoffnung auf diesen einen Menschen gesetzt, der dann am Kreuz gestorben ist. Es bleibt ihnen nichts Anderes übrig, als Jerusalem zu verlassen. Die zwei sind enttäuscht von ihrem Leben, von ihrer Hoffnung. Nichts von dem, was sie erwartet hatten, hat sich erfüllt.

 

Krankheit und Behinderung durchkreuzen Hoffnungen und Lebenserwartungen. Hilflosigkeit und Verbitterung sind die Folge, die schwer zu ertragen sind. In der biblischen Erzählung kommt Einer dazu. Er geht mit ihnen und hört ihnen einfach zu. Er nimmt sie ernst. Er verharmlost ihre Erfahrungen nicht, sondern lässt sie so stehen, wie er sie hört. Zuhören und Mitgehen in schwierigen Herausforderungen sind Erfahrungen, die helfen und heilsam sind. Sie zeigen dem belasteten, dem kranken und behinderten Menschen, dass er trotz Einschränkung ein wertvoller Mensch bleibt.

 

Zurück zur biblischen Geschichte: Nachdem er zugehört hat, stellt Jesus eine einfache Frage: «Musste nicht der Messias all das erleiden? Musste es nicht so kommen?» Er zwingt keine Deutung auf, gibt keine Interpretation vor – aber er stellt eine Frage, die helfen kann, das ganze Geschehen in einem anderen Licht zu sehen…

 

Umdeuten – in einen anderen Rahmen stellen heisst nicht beschönigen, nicht idealisieren oder verharmlosen, auch nicht moralisieren. Es heisst sehen, was ist und die Fakten versuchen so zu deuten, dass sie einen nicht beherrschen und nicht lähmen. Dieser Hinweis aus der Emmausgeschichte ist für das gemeinsame Unterwegssein von Gesunden und Kranken zentral. Als es Abend wird, laden die beiden Enttäuschten den Fremden ein zu bleiben. Wie oft bitten Menschen uns, bei ihnen zu bleiben, weil sie Angst haben vor der Nacht der Einsamkeit, vor dem Unverständnis der Mitmenschen, vor dem Tod. Für kranke Menschen kann es lebensnotwenig sein zu wissen: Wer ist für mich erreichbar, wo kann ich jederzeit anklopfen?! Diese Gewissheit, diese Treue im Miteinander ist die grosse Hilfe, die wir einander schuldig sind. Jesus wird zum Gast im Haus der beiden Jünger, mit denen er auf dem Weg war und sie erkennen ihn, als er ihnen das Brot brach. «Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit» lassen das Mitgehen Gottes erkennen. In diesem Horizont des Glaubens tragen Gesunde und Kranke ihre Lebensschicksale gemeinsam auf die grosse Zukunft des verheissenen Lebens in Fülle hin. Diese christliche Hoffnung ist in finsteren Tagen Licht. Sie schenkt Kraft zum Durchhalten in allem, was als Frage ohne Antwort bleibt.

 

Nun aber bleiben wir vorerst gemeinsam auf dem Weg, aufeinander angewiesen, einander stützend und uns gegenseitig beschenkend. Der Krankensonntag lädt uns ein, uns der Verantwortung füreinander neu bewusst zu werden und allen zu danken, die diesen Dienst füreinander tagtäglich leisten. Das «Gemeinsam unterwegs sein» hilft uns als Gesunde und Kranke, das eigene Leben immer tiefer zu verstehen und zu deuten. Ich danke allen, die anderen helfen, ihr Leben zu lieben und zu leben. Die Emmaus-Geschichte schenkt uns Gewissheit im Glauben, dass Gott in jeder Situation mitgeht und Kraft schenkt. Möge sein Segen allen Einsatz für die kranken und behinderten Menschen begleiten.

 

Für die Schweizer Bischofskonferenz

+ Markus Büchel, Bischof von St. Gallen