Reliquienverehrung von Saint-Maurice ist Kulturerbe

Die Verehrung der Reliquien der Märtyrer von Saint-Maurice (in römischer Zeit als Agaunum bekannt) wurde am 22. August 2023 in die vom Bundesamt für Kultur erstellte Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz aufgenommen. Die Liste ist Teil der schweizerischen Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes.

Die Abtei von Saint-Maurice im Wallis beherbergt Reliquien des heiligen Mauritius und seiner Gefährten, darunter die Kopfreliquie des heiligen Candidus. Mauritius war ein römischer Offizier, der aufgrund seines christlichen Glaubens zum Tode verurteilt wurde und als Märtyrer starb, gemeinsam mit der von ihm kommandierten Truppe – der sogenannten Thebäischen Legion. Jedes Jahr am 22. September, dem Tag des Heiligen Mauritius, werden die Reliquiare im Rahmen einer feierlichen Prozession durch den Ort Saint-Maurice getragen – ein religiöses Ereignis, welches auch heute noch zahllose Menschen anzieht.

Die Tradition der Verehrung der Reliquien von Saint-Maurice wird seit über 1500 Jahren gepflegt und ist die älteste ununterbrochen nachgewiesene Verehrungstradition in Westeuropa. Aus diesem Grund, und weil die Reliquienverehrung auch heute noch fester Bestandteil des kulturellen Lebens der Region um Saint-Maurice ist, sei der Entscheid, die Reliquienverehrung in die Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz aufzunehmen, berechtigt, so Isabelle Raboud-Schüle, Ethnologin und Mitglied der Schweizerischen UNESCO-Kommission.

Sie präzisiert, dass bei einer möglichen Aufnahme in die Liste zwei Kriterien ausschlaggebend seien: Einerseits die historisch-zeitliche Dimension, welche bei einer 1500jährigen, ununterbrochen dokumentierten Tradition gegeben sei, und andererseits die Aktualität derselbigen: Auch dieses zweite Kriterium, so die Schweizer Ethnologin, wird von der Reliquienverehrung in Saint-Maurice zweifellos erfüllt. Die Verehrung geniesst in der Bevölkerung der Region auch heute noch grossen Rückhalt, nicht zuletzt aufgrund des Engagements der Augustiner-Chorherren der Abtei.

Ziel des UNESCO-Übereinkommens und damit auch der Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz sei einerseits natürlich, das Bewusstsein um die Traditionen aufrechtzuerhalten. Andererseits, so Isabelle Raboud-Schüle, fördere es die Solidarität innerhalb der Bevölkerung: Der Austausch von Wissen um verschiedene Tradition ermögliche es, Offenheit gegenüber den Kulturen anderer Regionen zu pflegen.

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