Medienmitteilung der Abtei Saint-Maurice

Medienmitteilung der Abtei Saint-Maurice als PDF (französisch)

Saint-Maurice, 23. November 2023

Die Abtei Saint-Maurice unternimmt alles in ihrer Macht stehende, um Gerechtigkeit zu schaffen. Sie hat Rom um Unterstützung gebeten und bringt ihre Bitte um Vergebung gegenüber allen verletzten Personen zum Ausdruck.

Das Kapitel der Abtei Saint-Maurice ist am Dienstagabend, dem 21. November, zusammengetreten, um die Situation zu beurteilen, die durch die von der RTS in ihrer Sendung „Mise au point“ ausgestrahlten Reportage aufgeworfen wurde. Das Kapitel bestimmte den Chorherren Antoine Salina als Vorsteher der Abtei Saint-Maurice. Eine diesbezügliche Pressekonferenz ist für heute anberaumt. Chorherr Salina ist 65 Jahre alt und seit 38 Jahren Mitglied der Klostergemeinschaft. Er unterrichtete 33 Jahre lang am Kollegium und leitete 31 Jahre lang das Internat. Derzeit befindet er sich seit dem 31. August 2023 im Ruhestand, ist aber als Hilfspriester in unseren Gemeinden tätig.

An erster Stelle möchte unsere Gemeinschaft eine Bitte um Vergebung an alle Opfer der Handlungen einiger Mitbrüder der Augustiner-Chorherren aussprechen, an alle unsere Gläubigen und Freunde der Abtei, an alle unsere Schüler von jetzt und früher, an die Behörden, die uns vertraut haben, indem sie der Abtei die Leitung des Kollegs übertragen haben, an alle aktuellen und früheren Lehrerkollegen und an alle Angestellten und Mitarbeiter, die für die Abtei tätig sind.

Niemand in der Abtei kann behaupten, einen vollständigen Überblick über alles zu haben, was in den letzten hundert Jahren geschehen ist.

Wir bringen unsere feste Entschlossenheit zum Ausdruck, alle Missbrauchssituationen, die ans Licht kommen könnten, aufzuarbeiten. Wir wiederholen unseren Aufruf an Opfer und Zeugen, welche einen Beitrag zu vollständigen Aufklärung leisten können. Unser Ziel ist es, das Gewicht des Auftrags der Kirche zum Wohle der Schwächsten wiederzufinden. Wir sind nur eine kleine Handvoll Ordensleute, wollen aber entschlossen, schnell und transparent handeln. Zu diesem Zweck arbeitet die Klostergemeinschaft eng mit der Justiz zusammen.

Wir können mitteilen, dass das Abteikapitel bereits eine wichtige Massnahme ergriffen hat, indem sie in Rom um die Ernennung eines apostolischen Delegaten gebeten hat. Dieser soll die Leitung der Gemeinschaft von Saint-Maurice übernehmen soll, die offensichtlich zu fragil ist. Die Person des apostolischen Delegaten wird bekannt gegeben, sobald dieser ernannt ist.

Derzeit arbeitet die Abtei aktiv mit der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die ihr gemeldeten offenen und bereits abgeschlossenen Fälle zusammen. Derzeit laufen die Ermittlungen und wir müssen die Vorgaben der Justiz respektieren.

Die Veröffentlichung des von der Schweizer Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen Berichts über sexuellen Missbrauch im Kontext der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts vom 12. September hat die Öffentlichkeit sensibilisiert, und die Ereignisse der letzten Tage haben das Bewusstsein nur noch verstärkt.

An dieser Stelle möchten wir versuchen, eine Reihe von Fällen vertieft zu beleuchten. Mehrere Fälle liegen mehr als 60 Jahre zurück und die meisten Täter sind verstorben. Die ältesten Fälle wurden der Gemeinschaft im Zuge der momentanen Aufklärung zur Kenntnis gebracht. Andere Fälle betreffen Situationen, die bereits mit Untersuchungshaft und Bewährungsstrafen endeten.

Unter den älteren Fällen findet sich einer, der letzte Woche von dem Täter selbst an die Abtei weitergegeben wurde. Die Informationen zu dem Fall wurden von der Abtei umgehend an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Er hatte sich vor ungefähr 45 Jahren in Porrentruy ereignet. Der Täter hatte die Staatsanwaltschaft Fall bereits vor der RTS-Sendung über den Fall in Kenntnis gesetzt.

Was den Fall des Chorherren Roland Jaquenoud betrifft wurde dieser wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen zwischen Erwachsenen angeklagt, gemäss einer vatikanischen Anweisung aus dem Jahr 2003, die uns zur Kenntnis gebracht wurde. Solche Handlungen werden von der Kirche verurteilt (Keuschheitsgelübde). Roland Jaquenoud wurde bereits einmal für seine Taten bestraft. Er zahlt ein zweites Mal. Er hat heute Abstand von der Abtei genommen, um Unterstützung bei einem Familienmitglied zu suchen. Wenn ein ehemaliger Novize sich als Opfer von Roland Jacquenoud versteht, wie in der Presse geäussert, sind wir bereit, seine Aussage entgegenzunehmen und sie gegebenenfalls an die Polizei weiterzuleiten. Roland Jaquenoud wurde gestern von der Kriminalpolizei vernommen.

Zum ersten Fall, der in der Sendung „Mise au point“ erwähnt wurde, hat die Justiz bereits drei Entscheidungen getroffen (ein Beschluss zur Einstellung des Verfahrens, ein Beschluss, mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt wurde, und ein Beschluss des Kantonsgerichts, mit dem die Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens bestätigt wurde). Wir haben die Unterlagen eingesehen. Die Aussage der jungen Frau ist erschütternd, wir sind bereit, sie anzuhören. Wir haben auch den betroffenen Chorherren angehört, und er weicht nicht von seiner Version ab. Wir können die rechtliche Entscheidung des Kantons von vor 20 Jahren nicht beurteilen,.

Was Monsignore Jean Scarcella betrifft, so hat er sein Amt als Abt von Saint-Maurice bis zum Abschluss der Voruntersuchung ausgesetzt. Wir werden Sie so schnell wie möglich über die Ergebnisse dieser Untersuchung informieren.

Was schliesslich das Kollegium betrifft, so nehmen wir zur Kenntnis, dass der Staat eine Task Force eingesetzt hat. Wir werden alle notwendigen Massnahmen ergreifen. Im Übrigen hat Chorherr Alexandre Ineichen beschlossen, sich vorübergehend von seiner Funktion als Rektor des Kollegiums zurückzuziehen, um der Task Force ohne Einschränkung arbeiten zu lassen. Die Jugendlichen des Kollegiums sind nicht in Gefahr und wir möchten die Eltern beruhigen, denn dieser Verdacht ist da. Wir werden alles tun, um das Vertrauen wiederherzustellen, und wir sind uns bewusst, dass dies viel Zeit in Anspruch nehmen wird.

Sollten Sie neue Informationen zu irgendeinem Fall haben und sie uns zukommen lassen möchten, wird die Abtei alles daran setzen, diese schnell und transparent zu bearbeiten, und sie unverzüglich an die Justiz weiterleiten.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an den Chorherren Olivier Roduit, Telefon 079 250 68 52.