„Migration und die kulturellen Identitäten in Europa“

Symposium der Vorsitzenden der Schweizer, Französischen und Deutschen Bischofskonferenz in Berlin

Zum zweiten Mal haben die Präsidenten der Schweizer, Französischen und Deutschen Bischofskonferenz ein Symposium zu einer aktuellen kirchlichen und gesellschaftlichen Debatte durchgeführt. In Berlin kamen dazu heute auf Einladung von Kardinal Reinhard Marx (Deutschland), Erzbischof Georges Pontier (Frankreich) und Bischof Charles Morerod OP (Schweiz) rund 50 Vertreter aus Kirche und Wissenschaft zusammen, darunter elf Bischöfe, um sich dem Thema „Migration und die kulturellen und religiösen Identitäten in Europa. Herausforderungen für die Kirche“ zu widmen. Im vergangenen Jahr fand das Symposium zur Vorbereitung der Weltbischofssynode über Ehe und Familie in Rom statt.

Das heutige Symposium fragte nach dem Zusammenhang von Migration und gesellschaftlicher Identität. Es diente dazu, langfristige und die Tiefenschichten der Gesellschaft berührende Entwicklungen besser zu verstehen, die mit der Migration nach Europa einhergehen. Daran anknüpfend wurden Gestaltungsperspektiven für Gesellschaft, Politik und Kirche erörtert. Die Diskussion orientierte sich an einigen Leitfragen: Was bedeutet die Einwanderung vieler Menschen, vor allem aus den muslimisch geprägten Weltregionen, für die europäischen Gesellschaften, für das Fortwirken ihrer historischen Prägung und ihre Entwicklungsrichtung? Wie wirken sich die demographischen Veränderungen und die Migration auf das Verständnis von Identitäten der Gesellschaften aus? Wie kann sich ein friedliches Zusammenleben in einer religiös zunehmend pluralen Gesellschaft gestalten lassen? Und bei alledem: Wie muss die kirchliche Praxis auf die Entwicklungen reagieren, um sie mitzugestalten?

In einem einleitenden Vortrag ordnete die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Catherine Wihtol de Wenden (Paris) für das Publikum aus Universitätsprofessoren, Theologen, Migrantenseelsorgern und Bischöfen die heutige Migration nach Europa in den Kontext globaler Wanderungsbewegungen ein. Prof. Dr. Heinz Bude (Kassel) zeigte in einer soziologischen Analyse, dass die klassischen Modelle der Integration von Migranten unter heutigen Bedingungen fragwürdig geworden sind. Er plädierte für Modelle, die in den Grundprinzipien der europäischen Identität ihren Ausgang nehmen. Die völkerrechtliche Perspektive wurde von Prof. Dr. Martina Caroni (Luzern) eingebracht: Auch wenn das Migrationsrecht gemeinhin als Domäne des Nationalstaats gilt, müssen bestimmte menschen- und völkerrechtliche Prinzipien auch in nationalen Migrationspolitiken Beachtung finden. Dabei wurde deutlich, dass die internationalen Verpflichtungen in allen Ländern nur unzureichend umgesetzt werden. Der Washingtoner Religionssoziologe Prof. Dr. José Casanova plädierte in seinem Vortrag für den weltanschaulich neutralen, den Religionsgemeinschaften gegenüber freundlichen Staat als Grundlage für das Zusammenleben verschiedener Gruppen in der pluralistischen Gesellschaft. Der ehemalige Nationaldirektor für die Migrantenseelsorge in der Schweiz, Dr. Urs Köppel (Sursee), umriss die pastoralen und caritativen Handlungsfelder, die sich aus aktuellen Migrationsphänomenen für die Kirche ergeben.

Aus den Äußerungen der drei Vorsitzenden, Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof Georges Pontier und Bischof Charles Morerod OP, ging zum Abschluss der Veranstaltung hervor: „Wenn wir uns mit Fragen der Migration befassen, sprechen wir über ein Thema, dass das Selbstverständnis unseres Glaubens und unserer Kirche berührt. In jedem Menschen, der bei uns Schutz sucht, erkennen wir Gottes Ebenbild. Es steht außer Frage, dass in allen Ländern differenzierte Lösungen gefunden werden müssen. Die Achtung der Menschenwürde ist dabei unverhandelbar. Das Thema Migration wird in den nächsten Jahrzehnten auf der Tagesordnung unserer Gesellschaften und der Kirche bleiben.“

Berlin, 28. September 2016